Ein Buch voller Überraschungen, spannend und locker erzählt!
Von: Tim Unverhau aus Elmenhorst
19.09.2020
Ich bin nicht speziell an Vögeln interessiert, erst recht nicht an Kranichen, sondern ganz allgemein Naturliebhaber. Ein Bekannter empfahl mir das Buch „dringend“, also fing ich mit skeptischem Blick an zu lesen: ein Sachbuch über Kraniche? So etwas hatte ich noch nie in der Hand, nicht einmal etwas Ähnliches. Als ich zu lesen anfing, konnte ich nicht mehr aufhören. Es fängt an mit der sehr knappen Erzählung, wie der Autor zur Natur, zu den Vögeln hingezogen wurde, und schließlich zum Naturschutz. Er hört irgendwann trompetenartige Rufe aus einem Moor heraus, weiß nicht, welcher Vogel solche Rufe macht, erfährt, daß es Kraniche sind und ist ihnen sofort verfallen. Er wird in den Kranichschutz hineingezogen, bald darauf Leiter des Projektes, dann fängt er – Naturwissenschaftler, der er hauptberuflich ist – an zu zweifeln an dem, was er über Kraniche liest, während er bei ihnen etwas Gegenteiliges beobachtet, so fängt er an zu forschen. Er scheint in alles ungewollt hineinzustolpern, betreibt die Arbeit dann aber mit vollem Einsatz. Er entwickelt eine Methode, Kraniche anhand ihrer Stimme zu erkennen und über Jahre hinweg wiederzuerkennen. Betreibt damit allein mehrere Monitoring-Projekte. Wird deshalb nach Asien gelockt, erforscht dort Mandschurenkraniche. Wird gedrängelt, an einem großen Artenrettungsprojekt (Schreikraniche, von denen es damals nur noch 160 Exemplare gab) teilzunehmen, nimmt dafür die Mühen (und Risiken!) mehrerer solo-Expeditionen in riesige menschenleere Gebiete auf sich. Die Ergebnisse sind entscheidend für den Erfolg des Schreikranichprojektes. Immer wechselt der Stil zwischen spannender und sachlicher und locker-lustiger, gut gelaunter Erzählweise. Ich wurde so praktisch Zeuge seiner Erkenntnisfortschritte – nach und nach wird klar: Kraniche sind keine Bioroboter, die sich schematisch verhalten, sondern sehr intelligent, sich ihrer selbst bewußt, fähig zur Problemanalyse und -lösung, es sind unterschiedliche Persönlichkeiten, die Wahlmöglichkeiten haben und entscheiden; die auch teilweise sehr dynamische Beziehungsgeschichten offenbaren. Besonders beeindruckend sind die Schlußkapitel. Nun ist der Autor nicht mehr der stolpernde Autodidakt, der sich in neue Gebiete einarbeitet und so zu einem weltweit gesuchten Bioakustik-Experten wird, sondern fast schon ein Naturphilosoph. Er plädiert für viel mehr Respekt der Natur und den Tieren gegenüber, diskutiert die Frage ob wir Menschen wirklich einzigartig sind (bzw was von den „einzigartigen“ Eigenschaften, die wir haben, auch bei Kranichen und somit anderen Vögeln zumindest in Ansätzen zu beobachten ist, bis hin zum Werkzeuggebrauch und zur Entwicklung von Kultur!), und leitet praktische Konsequenzen für den Natur- und Artenschutz ab. Er selbst ist seit einem Dutzend Jahren als Gesellschafter und Geschäftsführer eines großen Demeterhofes aktiv – Artenschutz in der Landwirtschaft.