Zitate aus email-Diskussionen mit Vertretern Hamburger Parteien zu den Vorschlägen betr. die Umsetzung des Hamburger Zukunftsentscheids
(aus diversen emails zwischen Dr. Bernhard Weßling und den Parteien zwischen Mitte Oktober und Ende November 2025)
Die SPD (Herr Ludewig, persönlicher Referent des Franktionsvorsitzenden), äußerte sich nur sehr knapp, es kam zu keinem weiteren Austausch. Er schrieb u.a.:
„Der Hamburger Senat wird gemeinsam mit den rot-grünen Regierungsfraktionen aufmerksam prüfen, wie und mit welchen Maßnahmen der Gesetzesentwurf der Volksinitiative „Hamburger Zukunftsentscheid“ umgesetzt werden kann. Grundlage für diesen Prozess wird die Hamburgische Verfassung und der Grundsatz der sozialen Verträglichkeit sein.“
Nun, ich halte es für selbstverständlich, daß die Hamburgische Verfassung beachtet wird, und daß man sozial verträglich vorgehen möchte, und das ist gar nicht der Gegenstand meiner Vorschläge.
– Vielmehr ist festzustellen, daß CCS (das vom Ökoinstitut, den Grünen und auch von den Regierungsparteien der Bonner Koalition begrüßt und gefordert wird) eindeutig nicht nachhaltig, sondern schwer umweltschädlich ist: dem begrenzten klimawirksamen Vorteil steht ein Mehrfaches an schweren Umweltkosten entgegen. Des weiteren ist die Krise der Artenvielfalt in der Klimaneutralitäts-Debatte bisher gar nicht berücksichtigt worden, als ob es die UN-Biodiversitätskonferenz COP 16 (Cali, Kolumbien) und zuvor die COP 15 (Kunming/Montreal) nicht gegeben hätte.
Die GRÜNEN (zuerst Herr Gwosdz – Fraktionsvorsitzender -, dann Frau Storm – Vorsitzende der Grünen) haben intensiver mit mir diskutiert, aber trotz vieler Worte waren es doch eher behördenähnliche Leerformeln. So wurde auf die 2. Fortschreibung des Hamburger Klimaschutzplans verwiesen, in der natürliche CO2-Senken zwar erwähnt sind, aber ohne konkrete Maßnahmen, und das, was als konkrete Maßnahmen erwähnt wird, wie z. B. (Zitat)
„Inzwischen gibt es in Hamburg einige Maßnahmen zur Wiedervernässung von Mooren, etwa im Naturschutzgebiet Moorgürtel (Einbau von Rohrknien und Stauwehren, sodass moortypische Wasserstände realisiert werden bei gleichzeitiger Bewirtschaftung im Sommer; Grabenverschlüsse in Waldmoorbereichen), im Nincoper und Francoper Moor (bereits seit 1995), Fischbeker Heidemoor (Einbau einer Spundwand zur Vollvernässung) oder Duvenstedter Brook (2015, Spundwand)“
sind sehr kleinteilige Maßnahmen (z. B. „1 Spundwand“) sowie Spundwand im Duvenstedter Brook, was aber tatsächlich lediglich ein – ständig geöffnetes – kleines regelbares Wehr ist. Das größte Moor in einem Hamburger Schutzgebiet, der Duvenstedter Brook, wird de facto kontinuierlich entwässert, die Vorschriften der ursprünglichen Naturschutzverordnung aus der Zeit der Gründung des NSG Duvenstedter Brook („Verfüllung aller Gräben“) wurde irgendwann vor 2018 gestrichen.
– Im übrigen sind die Emissionen der trockengelegten Moorflächen in Hamburg in der CO2-Bilanz Hamburgs nicht enthalten.
Selina Storm schrieb mir hierzu:
„So wichtig die Wiedervernässung von Mooren auch ist, so liegen die CO2-Einsparung [nur] bei 20-30 t/ha pro Jahr.“
Wenn man nur die trockenen Moorflächen Hamburgs an der Oberfläche plus oberflächennahe Moore berücksichtigt (3.200 ha), kommt man auf 80.000 t CO2-Emissionen pro Jahr (die derzeit in der CO2-Bilanz Hamburgs nicht auftauchen; wenn diese alle vernässt würden, haben Sie 160.000 t CO2-Einsparung in Ihrer Bilanz; das ist wohl keineswegs zu vernachlässigen. (Auf dieses Argument ging Frau Storm nicht mehr ein.)
Die Rolle der Landwirtschaft an Treibhausgasemissionen, die Hamburg verursacht, wird unterschätzt. Die Grünen schrieben mir:
„Auch wenn deutschlandweit die Landwirtschaft einen Anteil von 8,3 % an den Treibhausgasemissionen hat, nehmen Landwirtschaft und Gartenbau in Hamburg eine viel geringere Rolle als Verursacher des Klimawandels ein.“
Das ist eine allzu sehr vereinfachende Sicht, denn um die Hamburger Bevölkerung zu ernähren, benötigt man Lebensmittellieferungen, die (rein rechnerisch) 810.000 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche erfordern. Das wären, wenn alle Nahrungsmittel auf dem Gebiet von Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein erzeugt würden, rein rechnerisch 21% der Agrarflächen dieser 3 Länder. Dementsprechend ist Hamburg indirekt auch für die damit verbundenen CO2-Emissionen der konventionell arbeitenden Landwirtschaft verantwortlich, müßte diese also in die CO2-Bilanz mit einbeziehen (was nicht der Fall ist). Außerdem ist konventionelle Landwirtschaft der Haupttreiber des Artenschwunds.
Auf meinen Hinweis, daß CCS in drastischer Weise (nachweislich) nicht nachhaltig, sondern umweltschädlich ist (also mehr Umweltschäden verursacht, als es mglw positive Klima-Effekte hat), und CCU noch viel schädlicher, antwortete Frau Storm:
„Obwohl CCS und CCU sehr energieintensiv und teuer sind, wie Sie ja richtig schreiben, sind wir der Auffassung, dass wir versuchen müssen, diese unvermeidlichen Restemission z.B. bei Müllverbrennung oder energie-intensiver Industrie durch diese Technologie zu reduzieren. Die Anwendungsmöglichkeiten von CCU sind sehr breit.“
Damit ging sie nicht auf die wissenschaftlich begründeten Sachargumente gegen CCS oder CCU ein, die die drastische Nicht-Nachhaltigkeit belegen. Es wird lediglich zahlenmäßig damit argumentiert, wieviel CO2 eingefangen werden kann – daß dieses CO2 dann nicht auf Hamburger Gebiet eingespeichert wird, sondern in Norwegen, wird stillschweigend hingenommen und als Hamburger Einsparung gerechnet. Warum aber werden dann nicht (wie von mir vorgeschlagen) Maßnahmen zur Speicherung von CO2 in Mooren und auf echt organisch bewirtschafteten Biolandwirtschaftsflächen in den benachbarten Bundesländern (NDS, SH) bezuschußt, was billiger und zugleich aber nachhaltig und wertvoll für die Artenvielfalt ist? Frau Storm antwortete hierzu:
„Allerdings haben wir rechtlich meines Wissens nach keinerlei Handhabe für Maßnahmen außerhalb Hamburgs.“
Nun, wenn man CO2 aus CCS in Norwegen abspeichern darf, warum dann nicht in wiedervernäßten Mooren und auf echt organisch wirtschaftenden bio-Betrieben in Niedersachsen oder Schleswig-Holstein? Könnte eine rechtliche Lücke nicht einfach mit Staatsverträgen geschlossen werden? Es wäre energie- und rohstoffsparend, billiger, effizienter und zugleich wichtig zum Schutz der Artenvielfalt. Darauf ging Frau Storm nicht mehr ein.
Sehr interessant (und aufschlußreich) war die Diskussion mit der CDU (persönlich mit Herrn Thering, Vorsitzender der CDU Hamburgs). Zu meiner nicht geringen Überraschung schrieb er mir:
„… CCS … Warum dieser Weg systemisch nicht nachhaltig ist und sogar neue Risiken schafft, wird in der öffentlichen Debatte bisher tatsächlich kaum aufgegriffen.“
und an anderer Stelle:
„Klimaneutralität braucht funktionierende, nachhaltige Maßnahmen, keine theoretischen Modelle mit nicht tragfähigen Nebenwirkungen.“
Das ist richtig, aber warum hat die CDU Hamburgs sich so noch nie öffentlich geäußert, nie Zweifel am CCS-Programm der Bundesregierung und des Bundestags geäußert, warum haben alle CDU-regierten Bundesländer dem Gesetz zugestimmt? Herr Thering beantwortete mir diese Frage nicht, sondern schrieb weiter:
„Ihr Hinweis auf Moore und echte organische Landwirtschaft als wirksame, kosteneffiziente und ökologisch sinnvolle Alternativen verdient deutlich mehr Aufmerksamkeit. Der Zusammenhang zwischen Klimaschutz und Artenschutz wird oft theoretisch beschworen, aber kaum praktisch gedacht. Danke, dass Sie diese Optionen ausgearbeitet haben; Ihr Beitrag ist sehr hilfreich.“
Als ich nachfragte, ob die CDU also meine Vorschläge als Anträge in die Bürgerschaft einbringen und somit konstruktiv zur Umsetzung der Klimaneutralität beitragen wollen würde (statt wenig konstruktiv den Klimaentscheid kippen zu wollen), erhielt ich lediglich diese sehr ausweichende Antwort:
„Vielmehr erfordert es Zeit, verschiedene Interessen zusammenzubringen und unterschiedliche Lösungsansätze in einem größeren politischen Kontext zu verankern. Deshalb ist es aus meiner Sicht entscheidend, dass wir als Gesellschaft einen breiten Diskurs führen, in dem auch die komplexen Wechselwirkungen zwischen Klimaschutz, Naturschutz und Nachhaltigkeit stärker in den Mittelpunkt gerückt werden.“
Dann wäre es doch angemessen gewesen, dies in Form eines Konzeptes, wie ich es vorgeschlagen habe, in die Bürgerschaft einzubringen und so den breiten Diskurs zu starten? Darauf hat er nicht mehr geantwortet. Die Presse hat zu all dem ebenfalls keinen Bericht veröffentlicht.
Dr. B. Weßling, Jersbek; 30. 11. 2025
